Elternschaft

Ob Wunschkind(er) oder auch nicht, Kinder verändern unser Leben.
Beim ersten und einzigen Kind ist es oft so, dass wir es relativ bald schaffen, nach einer gewissen Zeit zu einem ähnlichen Tagesablauf zurück zu finden – je nach Notwendigkeit oder Wertigkeit. Wovon wir aber nicht „verschont“ bleiben ist der Spiegel, den uns jedes Kind vorhält. Einen Spiegel in dem wir uns mehr – oder eben auch weniger gern – betrachten.
Manchmal macht es Spaß und ist echt süß zu sehen, wie sehr sie uns nachahmen und ähneln. Wir lieben dieses Kind meist so, wie wir noch nie jemanden geliebt haben.
Dann wiederum gibt es Situationen, wo sie Seiten von uns spiegeln, die wir gar nicht so gern an uns sehen. Ich spreche zum Beispiel von Wut, Ungeduld, Aggression, Ärger, Kompromisslosigkeit, Starrköpfigkeit, Gemeinheit…, lauter Dingen, die wir in unserem normalen Erwachsenenleben vielleicht bereits dermaßen gut im Griff haben, dass wir schon glauben, diese Eigenschaften nicht mehr zu besitzen. Aber dieses kleine süße Kind bringt uns innerhalb von kürzester Zeit, uns selbst wieder so aufzuführen wie ein Dreijähriger (eine Dreijährige…). Wir werden wütend, schreien vielleicht, hauen vielleicht sogar hin, sagen ungerechte Dinge und vieles mehr. Nachher tut es uns leid und wir haben oft das Gefühl, gar nicht mehr recht zu wissen, was da gerade passiert ist. Der Ärger ist weg und zurück bleibt großer Selbstvorwurf, Traurigkeit, Selbstzweifel…

Warum passiert uns das?!

In den oben beschriebenen Situationen werden wir in unsere eigene Kindheit zurück geworfen, in der es ganz bestimmt auch schwierige Situationen gegeben hat. Das ist den Einen von uns bewusst, weil es ganz offensichtlich eine schwere Zeit war, Anderen weniger, weil die Kindheit an sich eine schöne und gute Erinnerung ist. Trotzdem war es kaum zu vermeiden, dass wir als Kinder auch einmal missverstanden und ungerecht behandelt wurden. Das kann Wunden hinterlassen. Wunden, die ein Denken über uns selbst in Gang gesetzt haben, das uns als Erwachsene nicht hilfreich ist.

Ich spreche von Gedanken wie:

  • ich mach es nie gut genug
  • egal wie sehr ich mich bemühe, es wird nie gut genug werden
  • ich bin nicht liebenswert
  • mit mir kann man so etwas machen
  • ich bin wertlos
  • ich schaffe es nicht
  • ich bin nicht schön
  • ich bin zu dick/zu dünn
  • ich bin dumm
  • keiner glaubt mir
  • egal was ich tue, es wird schief gehen

Diese Gedanken wirken in uns, oft ohne dass sie uns bewusst sind.
Wenn unser Kind uns nun durch sein Verhalten „auf die Palme“ bringt und wir uns verzweifelt auch vollkommen daneben benehmen liegt das meist daran, dass wir plötzlich und ohne Vorwarnung in Berührung mit uns als Kind gekommen sind – und zwar mit einer Situation, einem Gefühl, das uns offenbar nachhaltig beeinflusst hat.

Was kann ich tun?

Wichtig ist, dass wir uns nicht für das, was wir tun verurteilen. Das ist eine verzweifelte Endstation.
Der erste wichtige Schritt ist, wenn sich die Lage wieder beruhigt hat, zum Kind hin zu gehen und ihm zu sagen, dass es einem Leid tut, dass man sich daneben benommen hat. Es ist wichtig, dass man sagt, dass es einem Leid tut, da es die Verantwortung beim Erwachsenen lässt, so nach dem Motto „ich habe Mist gebaut, es tut mir Leid“. Das Kind soll sich nicht verpflichtet fühlen, zu verzeihen oder zu entschuldigen (was eine Aussage wie „bitte entschuldige/verzeih mir“ ja an sich verlangen würde…)

Der zweite Schritt ist nun die eindeutige Zuwendung zu sich selbst. Was war da mit mir los? Wie alt habe ich mich selbst in der Situation gefühlt? Woran erinnert mich das Gefühl? Was war in dem Alter oder in der Zeit, an die es mich erinnert, los? Und ganz wichtig: Was hätte mir geholfen, was hätte ich gebraucht?
Wenn Erinnerungen an Situationen auftauchen ist es wichtig, mich als Kind in dieser Situation gut wahr zu nehmen. Wie geht es mir, wie fühle ich mich, wie schaue ich drein… Und dann stelle ich mir die Frage: Was hätte ich in dieser Situation gebraucht? Diese Frage ist leicht zu beantworten, da es sich ja um uns selbst handelt. Ich hätte vielleicht jemanden gebraucht, der mich in den Arm nimmt und mich tröstet, mir sagt, dass ich ok bin, dass alles gut wird. Ich hätte vielleicht einfach nur jemanden gebraucht, der hinter mir steht, mir die Hand auf die Schulter legt und mir dadurch zeigt, dass ich nicht alleine bin. Ich war vielleicht noch ein Säugling und hätte einfach aufgenommen und getröstet, gestillt werden sollen…
Was auch immer es war, das wir gebraucht hätten, JETZT ist die Möglichkeit, voller Mitgefühl zu dem Kind hinzugehen, das wir waren, und ihm in Gedanken das zu geben, was ihm gefehlt hat.
Das braucht nur ein paar Minuten Zeit, aber es kann Wunder wirken.